Im Gebäude des Kasten-und Richteramtes (Unterwirt) wurde im Namen und im Auftrag des Domkapitels die Hofmark Wolferstadt juristisch und administrativ verwaltet. Als Bevollmächtigter des Kapitels residierte hier der Kastner, Richter und Vogt.
Diesem dreifachen Titel sind drei Aufgabenbereiche zuzuordnen:
Als Richter hatte er den Vorsitz im Dorfgericht. Er sorgte für einen ordnungsgemäßen und friedlichen Verlauf der Gerichtsversammlungen und verkündete die Urteile.. Dieses Dorfgericht war zuständig für die Mehrheit aller im bäuerlichen Leben vorkommenden Rechtsfälle.
Nicht dazu zählten die "vier hohen Fälle": Mord, Raub, Notzucht und Brandstiftung. Diese wurden von der hohen Gerichtsbarkeit des Landesfürsten abgeurteilt.
Das Einbringen des Getreidezehent war in der Zehentordnung genau geregelt. In den letzten Wochen vor der Ernte war der Zutritt zu den Getreidefeldern gesperrt. Der Kastner bestimmte den Termin des Erntebeginns und gab ihn mit der Glocke auf dem Zehentstadel bekannt
Im Frondienst wurden die Zehentgarben in den Zehentstadel gebracht und im Laufe des Herbstes gedroschen. Das Getreide kam in siloartige "Traidkästen" und wurde später an die Schrannen verkauft.
Der verantwortliche Verwalter des "K a s t e n s" war der "K a s t n e r".
Der "Kleinzehent" betraf die Erträgnisse von Flachs, Erbsen, Linsen, Rüben und Kraut. Dieser und der Blutzehent von sämtlichem Geflügel ( Hühner, Enten, Gänse, Tauben) standen dem Pfarrer als Besoldung zu. ( Noch bis in die Mitte des 20.Jahrhunderts war es üblich, beim sogenannten "Seelenbeschrieb", Eier in den Pfarrhof zu bringen.)
Er überwachte nicht nur die Eintreibung des Getreidezehents und dessen Lagerung im "Kasten" des Zehentstadels, sondern war zuständig für sämtliche Abgaben der Untertanen an das Domkapitel. Außerdem oblag ihm die Kontrolle der gemeindlichen Haushaltsführung. Sein Aufgabenbereich entsprach in etwa der Funktion eines Finanzamtes unserer Zeit.
Die Haupteinnahmequelle war der Zehent. Schon aus dem 3. Jahrhundert ist bekannt, daß die Christen freiwillig für den Lebensunterhalt der Priester von den Feld- und Baumfrüchten den 10. Teil und von ihrem Viehbestand jedes 10. Stück gaben. Die Frankenkönige Pippin und Karl der Große führten den Zehnten als Abgabe zum Unterhalt der Geistlichen für ihr ganzes Reich verpflichtend ein.
Ursprünglich war der Vogt Schutz- und Schirmherr über kirchliche Güter einschließlich deren Vertretung vor Gericht (= Advokat ) Daraus entwickelte sich später die Herrschaft über das Dorf und zwar grundsätzlich über die ganze Einwohnerschaft unabhängig davon, welchem Grundherrn der Einzelne untertan war.
Die "Vogteigerechtigkeit" umfasste wesentliche Bereiche des Zivilrechts, wie sie heute in etwa vom Notar oder dem Landratsamt wahrgenommen werden. In der Sprache unserer Zeit wären dies: das gesamte Beurkundungswesen, Meldewesen, Gewerbeaufsicht, Brandschutz, Wasserschutz, .öffentliche Ordnung, Bauwesen. Der Vogt hatte im Ort polizeiliche Befugnisse. Er war der eigentlicher Chef im Dorf, der Dorfherr.
In dieser Funktion standen ihm allerlei Abgaben und Dienste zu: Dazu gehörte der sogenannte Vogthaber für die herrschaftlichen Pferde, das Umgeld (eine Art Umsatzsteuer auf Wein und Bier) sowie Anteile an den Strafgeldern.
Er war befugt, Frondienste anzuordnen und in Anspruch zu nehmen. So mussten die Bauern für den herrschaftlichen Haushalt Holz machen und fahren, Bau- und Renovierungsarbeiten ausführen, die Jagdhunde halten und bei Jagden als Treiber mitgehen; in Kriegszeiten hatten sie außerdem Fuhr- und Botendienste zu leisten.
Der Amtsknecht oder ein eigens dafür aufgestellter Zehenteinsammler hatte bei der Ernte darauf zu achten, daß jede zehnte Garbe (in normaler Größe!) beiseite gelegt wurde. Wenn die Zehentgarben abgefahren waren, wurden
die "L ä u t g a r b e n" für den Schullehrer (der auch Meßner war),
die "D e n g e l g a r b e n" für den Schmied,
die "S c h e r g a r b e n" für den Bader,
die "F l u r g a r b e n" für den Flurer und
die "A l m o s e n g a r b e n" für die Dorfarmen ausgesondert
Dann erst durfte die Ernte eingefahren werden
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