Kaiser Wilhelm II |
Es lebe die Republik !Um die Wende vom 19.zum 20.Jahrhundert trat der Lehrer Ivo Weinmann seinen Dienst in Wolferstadt an und blieb dort als Schulleiter bis zum Jahre 1926. In seine Dienstzeit fielen Ereignisse, die das gesamte politische und gesellschaftliche Leben erschütterten. Der erste Weltkrieg 1914-1918 brachte Zerstörung und millionenfaches Leid über die Bevölkerung Europas. In seiner Endphase im Herbst 1918 erschütterten revolutionäre Umtriebe das Ordnungsgefüge in Staat und Gesellschaft. Als Konsequenz aus der sich abzeichnenden militärischen Niederlage verzichtete Kaiser Wilhelm II auf seinen Thron und begab sich ins Exil nach Holland. In Berlin rief Philipp Scheidemann die Republik aus und gab damit das Signal zum Sturz der Monarchieen im ganzen Reich. |
Kurt Eisner |
Am 7.November 1918 rief Kurt Eisner in München anlässlich einer Kundgebung auf der Theresienwiese die Republik aus, worauf der bayerische König Ludwig III. seine Residenz und München fluchtartig verließ und sich in das benachbarte Österreich begab. Damit endete die Herrschaft des Hauses Wittelsbach in Bayern, das über Jahrhunderte hinweg die Geschichte des Landes nachhaltig geprägt hat. Unter der Führung Kurt Eisners bildete sich ein Arbeiter-und Soldatenrat, der Bayern zu einer demokratischen und soialen Republik erklärte. Es folgte eine chaotische Zeit. Am 21.Februar 1919 fiel Kurt Eisner einem Attentat zum Opfer. Revolutionäre Gruppen riefen am 7.April eine sozialistische Räterepublik aus. In München herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände mit schmutzigen Straßenkämpfen. Die rechtmäßige Regierung und der gewählte Landtag wichen nach Bamberg aus.Die von Norden anrückende "Weiße Armee" mit preußischen und württembergischen Truppen machte schließlich am 1.Mai dem "sozialistischen Spuk" ein Ende |
König Ludwig III |
Parallel zu den politischen Umwälzungen erfuhr die schulische Bildung eine fundamentale Neuorientierung.
In der Kaiserzeit (1871-1918) waren Disziplin, Gehorsam, Fleiß und Ordnung die entscheidenden Erziehungsziele. In der Schulstube herrschte ein gewisser Kasernenton. Die Schüler bewegten sich im Takt nach dem Kommando des Lehrers. Die Atmosphäre dieser Zeit wird sehr gut in dieser Anweisung beschrieben:
Körperliche Züchtigungen bei mangelnder Disziplin und Lernzucht waren an der Tagesordnung. „Tatzen“ und „Hosenspanner“ galten als durchaus legitime Erziehungsmittel, zumal auch im Elternhaus die Prügelstrafe gang und gäbe war.
Nachdem sich die republikanische Staatsordnung etabliert hatte, zeigten sich auch in der Bildungspolitik die Zeichen einer neuen Zeit. Man sprach vom „Jahrhundert des Kindes“ und folgerte daraus eine grundlegende Reform des Schulwesens. Die Ideen namhafter Schulpädagogen, wie Heinrich Pestalozzi, Maria Montessori ,Georg Kerschensteiner, Rudolf Steiner, Hugo Gaudig, Peter Petersen, um nur einige zu nennen, setzten Impulse, die bis in die heutige Zeit die Reformbestrebungen im Bildungswesen wegweisend bestimmen. Ziele schulischer Bildung sind nun selbständiges Denken, Kreativität, eigene Ideen und Kritikfähigkeit. Anschaulichkeit und Selbsttätigkeit werden zu unverzichtbaren Unterrichtsprinzipien, Gruppenarbeit, Lernspiele, Projekte und Lernprogramme sorgen für Abwechslung im Ablauf des Schulalltags und fördern soziales Miteinander.
Kritiker der Reformpädagogik sehen darin eine Abkehr vom Leistungsgedanken und der Disziplin und etikettieren dies als „Kuschelpädagogik"
Gegen Ende seiner Dienstzeit erlebte Lehrer Weinmann die irrwitzigen Auswüchse der Inflation von 1923. In den Herbstmonaten dieses Jahres erreichte die Geldentwertung astronomische Ausmaße. Tagtäglich wuchsen die Zahlen auf den Geldscheinen; im gleichen Maße schmolz ihr Wert. Es konnte vorkommen, dass man vom Lohn eines Monats von einem Tag auf den anderen kaum einen Laib Brot kaufen konnte.
Preissteigerung vom Juni 1923 bis Dezember 1923 |
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Artikel |
Juni 1923 |
Dezember 1923 |
1 Ei
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800 Reichsmark |
320 000 000 000 Reichsmark
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1 Liter Milch
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1 440 Reichsnark |
360 000 000 000 RM
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1 Kilo Kartoffeln
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5 000 Reichsmark |
900 000 000 000 RM
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1 Dollar
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100 000 Reichsmark |
4 210 000 000 000 RM
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Die rasante Talfahrt des Geldwertes wurde zum Jahresende gestoppt. Von einem Tag auf den anderen wurde die Reichsmark durch die Rentenmark ersetzt und es galt die Umtauschformel:
Durch die Inflation verloren die Menschen praktisch das gesamte ersparte Geldvermögen. Dies betraf vor allem Lohn-und Gehaltsempfänger, die über Nacht vor dem Nichts standen. Mit der neuen Rentenmark ging es wirtschaftlich rasch wieder aufwärts, so dass man über die folgenden Jahre von den "goldenenen Zwanzigern" sprechen konnte.
Beispiel Briefporto |
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31.Januar1919 |
0,15 Mark |
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31.Januar1920. |
0,20 Mark |
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31.Januar 1921 |
0,40 Mark |
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31.Januar 1922 |
2,00 Mark |
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21.Oktober 1922 |
6 Mark |
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31.Januar 1923 |
50 Mark |
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26.Juni 1923 |
100 Mark |
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8.August 1923 |
1 000 Mark |
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7.September 1923 |
75 000 Mark |
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3.Oktober 1923 |
2 000 000 Mark |
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11.Oktober 1923 |
5 000 000 Mark |
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22.Oktober 1923 |
10 000 000 Mark |
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3.November 1923 |
100 Millionen Mark |
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9.November 1923 |
1 000 000 000 Mark
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Die Menge an Papiergeld wuchs von Tag zu Tag lawinenartig an, während der Geldwert in gleichem Maße abstürzte. Statt mit der Geldbörse oder der Brieftasche ging man mit dem Waschkorb voller Geld zum Einkaufen. Die Viehhändler transportierten das Geld für den Handel mit den Bauern auf dem Schubkarren. Mancher Kaufmann wog die Geldscheine ab, da das Zählen zu mühselig und langwierig wurde und die Hausfrauen benützten die Millionen und Milliarden zum Anzünden des Herdfeuers oder als billige Tapeten.
„Gesetz-und Verordnungsblatt für den Volksstaat Bayern“ Artikel 144:Vom 1.Januar 1919 ab entfällt die Beaufsichtigung und Leitung der Volksschulen durch Ortsschulinspektoren. Die schulaufsichtliche Tätigkeit der geistlichen Distriktsschulinspektoren endet mit dem 31.Dezember 1918. An ihre Stelle treten mit dem 1.Januar 1919 weltliche FachleuteDiese Verlautbarung wurde von der Lehrerschaft Bayerns freudig begrüßt. |
Im Kabinett Eisner übernahm der ehemalige Volksschullehrer Johannes Hoffmann das nun in „Staatsministerium für Unterricht und Kultus“ umbenannte Bildungsressort. Nach dem Attentat auf Kurt Eisner wurde er Ministerpräsident. Als eine seiner ersten Amtshandlungen war die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht.
Veröffentlicht wurde es im
Zum Ende des Jahres 1926 trat Hauptlehrer Weinmann in den Ruhestand und wurde in einer kleinen Feierstunde von Vertretern der Gemeinde und der Pfarrgemeinde verabschiedet.
Die Tageszeitung vom 3.Dezember 1926 berichtete darüber:
Hauptlehrer Weinmann war der erste Lehrer auf einer beamtenrechtlich abgesicherten Planstelle in Wolferstadt. Sein Nachfolger wurde Lehrer Ludwig Hollerung, der bis 1945 als Schulleiter hier tätig war. Wie Weinmann übte auch er nebenberuflich den Organistendienst an der hiesigen Pfarrkirche aus.
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